Über 50 Personen demonstrierten gestern Abend unter dem Motto „Die Kölner Polizei hat ein Rechts-Problem“ vor dem Polizeipräsidium Köln Kalk. Sie waren nach Kalk gekommen, um ihre Forderung von zusammen über 10.000 EUR Schadensersatz für eine unrechtmäßige stundenlange Einkesselung im Januar 2017 bei der Kölner Polizei geltend zu machen. Nach einigen kurzen Reden versuchten die Protestierenden – mittels Anwalt – die Forderungen zu übergeben, doch die Türen des Polizeipräsidiums blieben verschlossen. KeinE PolizistIn wollte sich verantwortlich zeigen, sie anzunehmen. Schließlich half nur der Briefkasten.
Was war geschehen? Während eines Aufmarsches der rechtsextremen Pro NRW im Januar 2017 hielt die Kölner Polizei knapp 200 GegendemonstrantInnen bei Minusgraden über Stunden fest. Dass dies ohne jede rechtliche Grundlage geschah, beschied im Sommer 2019 das Kölner Verwaltungsgericht. 57 Betroffene fordern nun Entschädigung.
Nur wenige Monate vor dem „Kölner Kessel“ war auch in Dortmund ein ähnlicher Fall passiert. Dort wurden 300 Menschen, die zu einer angemeldeten Gegendemonstration anlässlich eines Nazi-Aufmarsches wollten, darunter auch einige AktivistInnen aus Köln, bereits beim Ausstieg aus der S-Bahn festgesetzt und über Stunden festgehalten. Auch hier bestätigte das Verwaltungsgericht ein unrechtmäßiges Vorgehen durch die Polizeibeamten. Und auch hier fordern die Aktivisten nun gemeinsam Schadensersatz in Höhe von über 10.000 Euro. Das Geld wird verwendet werden, um künftig AntifaschistInnen in Protest- und Polizeibelangen Rechtsbeistand leisten zu können. Im Folgenden noch die Rede von Frieda von Köln Alarm von gestern Abend.
Die Kölner Polizei hat ein Rechts-Problem
Der Anlass für unseren heutigen Protest vor dem Polizeipräsidium in Köln Kalk liegt schon gute zwei Jahre zurück, ist aber leider auch heute noch – und immer wieder – aktuell.
Erinnern wir uns an das Jahr 2017.
Am 07. Januar 2017 kesselte die Kölner Polizei etwa 200 Antifaschist*innen an der Apostelkirche ein. Ihr einziges Vergehen war es, gegen einen Aufmarsch der extrem rechten Vereinigung Pro NRW zu demonstrieren. Über mehrere Stunden hielten die Beamten*innen, Gegendemonstrant*innen und sogar Passant*innen, bei klirrender Kälte fest.
Auf Initiativen des Bündnisses „Köln gegen Rechts“ klagten Betroffene und das Verwaltungsgericht gab ihnen Recht. Die Einkesselung – wir würden lieber sagen: Freiheitsberaubung! – von hunderten Protestierenden war rechtswidrig. Um dem rechten Pro-NRW-Aufmarsch vor Belästigung durch Gegendemonstranten zu schützen, beschnitt die Polizei die demokratischen Rechte hunderter Menschen.
57 Betroffene des Kölner Kessels fordern hier heute Schadensersatz von der Kölner Polizei.
Der Kessel in Köln war kein Einzelfall.
Nur ein halbes Jahr vorher, ereignete sich ein ähnlicher Vorfall in Dortmund – Dorstfeld. Hier wurden 300 Gegendemonstrant*innen, darunter auch einige aus Köln, auf dem Weg zu einer angemeldeten Demonstration direkt beim Ausstieg aus der Bahn auf dem S- Bahnstieg für Stunden festgesetzt.
Über bis zu 5 Stunden wurde ihnen fast ausnahmslos der Gang zur Toilette, die Versorgung mit Nahrungsmittel und Getränken verweigert. Und nicht zuletzt verweigerte man den Protestierenden ihr demokratisches Recht, an einer angemeldeten Demonstration teilzunehmen.
Auch das: Eine rechtswidrige Einkesselung – wie das Verwaltungsgericht Köln später bestätigte.
Auch gegen den Dortmunder Kessel wehren sich heute hier die Betroffene und fordern Schadensersatz.
Seit Dezember 2018 gilt das neue Polizeigesetz in NRW. Die Verschärfungen werden gerechtfertigt indem man Angst „vor (dem islamistischen) Terrorismus“ schürt. Wenn man aber genau hinsieht, verschärfen sich im Wesentlichen die Gesetze um Antifaschismus und Umwelt-Aktivismus zu erschweren, nicht um „Sicherheit und Ordnung“ zu gewährleisten, von der die Polizei immer zu spricht.
Nach der Gesetzlage, ist die Polizei dazu verpflichtet das Neutralitätsgebot zu wahren. Doch immer wieder wird öffentlich Stimmung gegen antifaschistische Demonstrationen gemacht.
Einige Beispiele:
Bei den Protesten zum AfD-Bundesparteitag in Köln machte Sie im Vorfeld der Proteste massiv Stimmung gegen die angekündigten Demonstrationen. Sie sprachen von zu erwartenden Ausschreitungen und warnten davor die Innenstadt zu betreten. Mit dem Ergebnis, dass viele potentielle Gegner*innen der AfD durch die Schreckensszenarien vom Demonstrieren abgehalten werden.
Von G20 – über die Anti-AfD-Proteste – bis zu den Demonstationen gegen den türkischen Einmarsch in Rojava – Kaum eine linke Großdemo bei der die Polizeiführung nicht im Vorfeld obskure Kenntnisse über die Anreise „tausender gewaltbereiter Linker“ hat.
Der Öffentlichkeit gegenüber rechtfertigen solche Prognosen den Einsatz eines martialischen Polizeiaufgebotes. Und außerdem macht die Polizei schon im Vorfeld klar, wer im Falle von Auseinandersetzungen der Schuldige sein wird.
Bei Protesten gegen eine AfD-Veranstaltung im Rautenstrauch-Joest Museum verbreitete die Polizei Falschmeldungen an die Presse. So berichtete sie, dass ein Polizist von Gegendemonstranten von der Bühne geschubst wurde. Und sich dabei verletzte. WDR Aufnahmen zeigten, dass der Beamte von alleine von der Bühne gestolpert war. Doch, die Polizei Köln revidierte ihren Beitrag nicht und schürte damit das Bild von „Linken Gewalttätern“.
Körperlich Aktiv wurden die Polizist*innen in April 2019 und prügelten mit Schlagstöcken und dem Einsatz von Pfefferspray den Weg für Anhänger*innen der AFD zum „öffentlichem Bürgerdialog“ in Köln Kalk, frei.
Nicht gegen „Terroristen“, sondern gegen „Aktivisten“, werden die verschärften Polizeigesetze angewendet.
Die Entwicklung, die die Institution Polizei unter einem Innenminister Reul gemacht hat, bewegt sich weg von „der Demokratie“ und zieht immer präziser in die rechte Richtung. Unsere exekutive Kraft streut bei jeder Möglichkeit den Rechtsextremisten und Nazis Rosen auf den Weg und tritt – wie im Hambacher Forst – als Hilfstruppe von Großkonzernen wie der RWE auf, um auch wirtschaftlichen Interessengruppen zu dienen. Rechtliche Grundlagen werden dafür an den Haaren herbeigezogen oder sogar missachtet und Gegenproteste mit größtem Aufwand behindert und rechtswidrig verhindert.
Immer öfter tritt die Polizei als politischer Akteur auf. Mit zweifelhaften und falschen Meldungen nimmt sie Einfluss auf die Berichterstattung und die öffentliche Meinung.
Hier handelt es sich nicht um „Einzelfälle“ von Polizist*innen, oder ganzen Polizeieinheiten mit rechter oder rechtsextremer Gesinnung. Dies ist ein „Rechtsproblem“ der Polizeiführung und der Institution Polizei in einem Staat welcher sich mehr und mehr rechts positioniert.
Wir hören aber nicht auf dem entgegenzutreten und stehen heute vor dem Polizeipräsidium, um die Schadenersatzforderung von 57 Betroffenen eines für rechtswidrig erklärten Polizeikessels an die Kölner Polizei zu überreichen!
Vielen Dank fürs zuhören und ich bitte um heftigen Beifall für die Übergabe!“