Der Kölner Werbeflächenmonopolist Ströer will künftig Kampagnen gegen die AfD bundesweit keine Werbeflächen mehr zur Verfügung zu stellen. Die extrem rechte Kampagne „Grüner Mist!“ hingegen wurde vom Konzern lange unterstützt.
Köln gegen Rechts fordert nun die Kündigung des städtischen Werbenutzungsvertrags und die Rekommunalisierung öffentlicher Werbeflächen.
Ströer stoppt extrem rechte Kampagnen wie „Grüner Mist!“ erst nach journalistischen Recherchen zu illegaler Parteienfinanzierung der AfD
Anfang August veröffentlichte der Kölner Ströer-Konzern auf seinen Plakatflächen die extrem rechte Kampagne „Grüner Mist!“. Mit dieser Negativ-Kampagne wurden am Beispiel der Partei Bündnis 90 / DIE GRÜNEN bundesweit das politische Eintreten für das Asylrecht, der Kampf gegen den Klimawandel und für eine inklusive Gesellschaft mit Begriffsschöpfungen aus der extremen Rechten wie „Klimasozialismus“, „Ökoterror“, „totalitär“, „Masseneinwanderung“ oder „Asylbetrug“ diffamiert und bekämpft.
Obwohl Antifaschist:innen und Journalist:innen frühzeitig über die Organisation und Verankerung der Kampagne im Spektrum der extremen Rechten, von Identitären bis hin zu AfD-Sympathisanten aufmerksam machten1, hielt der Kölner Ströer-Konzern an der Durchführung der Kampagne fest. Von den sich aus den eigenen Vertragsbedingungen ergebenden Kündigungsmöglichkeiten wollte der Konzern gegenüber dem Organisator der Kampagne, dem AfD-Sympathisanten David Bendels2, keinen Gebrauch machen. Stattdessen legte ein Sprecher des Ströer-Konzerns3 öffentlich nahe, dass der Konzern aufgrund einer angeblichen kommunalen Neutralitätspflicht gesetzlich dazu gezwungen sei, die nach Einschätzung von Beobachter:innen der Werbewirtschaft mindestens 500 000 Euro Einnahmen pro Woche einbringende4, Kampagne auszuhängen.
Doch offenbar hat der Ströer-Konzern seine Kosten/Nutzen – Rechnung aktualisiert. Denn mit Pressemitteilung vom 15.09.2021 kündigte der Konzern an jeden Auftrag zu parteipolitischer Werbung abzulehnen. Auslöser für diese Maßnahme waren offenbar journalistische Recherchen zu den Hintergründen mutmaßlich illegaler Parteienfinanzierung der AfD.
Ströer Kunde und Organisator der Kampagne „Grüner Mist!“, David Bendels, als Teil einer mutmaßlich illegalen Parteienfinanzierung der AfD?
Die Treue des Kölner Ströer-Konzerns zur extrem rechten Kampagne „Grüner Mist!“ von David Bendels gründet möglicherweise in den langen Geschäftsbeziehungen, die der Ströer-Konzern zum Umfeld der AfD und mit der Partei selbst unterhält. Ströer führte auch in vergangenen Wahlkämpfen die Plakatkampagnen für Gruppierungen im Umfeld der AfD durch, darunter die des „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ unter dem Vorsitz von David Bendels. Nach Recherchen von CORRECTIV5, dem ZDF6 und DER SPIEGEL7 soll es bei diesen Plakatkampagnen zu einer vom Ströer-Konzern vorangetriebenen Koordinierung der offiziellen AfD-Kampagnen und der ihrer Unterstützernetzwerke gekommen sein. Auch sollen Buchungsunterlagen von Ströer nicht den Unterstützerverein als „Direktkunden“ geführt haben, sondern die Alternative für Deutschland. Alles Hinweise darauf, dass die von Ströer ausgeführten und dem Konzern mutmaßlich Millionen Euro einbringende Kampagnen der Unterstützernetzwerke der AfD von der Partei selbst nicht zu trennen sind. Der Verdacht umfangreicher illegaler Parteienfinanzierung der AfD steht im Raum.
Vorstand des Ströer Konzern bezeichnet Engagement gegen die AfD als „deutlich links der politischen und gesellschaftlichen Mitte“ und versucht demokratische Parteien zu erpressen.
Hier wurde es dem Ströer-Vorstand zu heiß. Während eine Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas durch extrem rechte Kampagnen zum Geschäftsmodell der Kölner Konzern Ströer gehört, will man sich der Gefahr staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen nicht aussetzen. Der Konzern hat die journalistischen Recherchen zum Anlass genommen, künftig „jeden Auftrag zu parteipolitischer Werbung jeglichen politischen Spektrums“ abzulehnen. Dazu zählen für den Konzern offenbar auch antifaschistische Kampagnen wie die von Bochumer DGB-Gewerkschaften getragene Kampagne „Bundestag nazifrei – keine Stimme für AfD und andere Rassisten“. Der Vorstand von Ströer bezeichnet diese Kampagne öffentlich als „deutlich links der politischen und gesellschaftlichen Mitte8“ und vertritt damit eine gängige Position der extremen Rechten, wonach wer gegen Rassist:innen und andere Rechtsextreme mobil macht, ein:e Linksextremist:in sei.
Offenbar tobt man im Ströer-Vorstand, dass das eigene Geschäftsmodell der Verbreitung von rechtsextremen Hass und Hetze auf zivilgesellschaftlichen Widerstand stößt. Um diesen zu umgehen hat Ströer zu einem „Runden Tisch mit den politischen Parteien des Deutschen Bundestages“ eingeladen. Das Ziel des Vorstandes: Ein politischer Konsens über ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf die Plakatierung parteipolitischer Werbung. Welches politische Verständnis im Vorstand des Ströer Konzern vorherrscht, hat dieser mit der Durchführung der Plakatkampagne „Grüner Mist!“ und der Bewertung der gewerkschaftlichen Kampagne „Bundestag nazifrei“ als linksaußen deutlich gemacht. Kommt es nicht zu einer Lösung im Sinne von des Kölner Konzern Ströer weiß der Monopolist für Werbeflächen seine Marktmacht gegenüber den demokratischen Parteien zu spielen: Er kündigt an in diesem Fall keine parteipolitische Werbung mehr auszubringen9. Für demokratische Parteien, die auf Öffentlichkeit und damit Werbeflächen angewiesen sind, eine harte Drohung. Wir sind gespannt, ob CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und FDP dieser Erpressung nachgeben und den Vorstand des Konzerns in Zukunft gegenüber antifaschistischer Kritik und journalistischen Recherchen verteidigen werden…
Wem gehört die Stadt? Nicht Ströer.
Durchführung einer das öffentliche Klima vergiftenden Hetzkampagne, die Übernahme des rechtsextremen Narratives, wonach, wer gegen Rechtsextremismus kämpft, keinen Platz in der politischen Mitte hat und ein Erpressungsversuch gegenüber den demokratischen Parteien: Das Maß ist voll. Der Kölner Konzern Ströer ist der mit einem Monopol bei Werbeflächen verbundenen gesellschaftlichen Verantwortung nicht gewachsen. Es muss Schluss damit sein, dass Kölner:innen aus reinem Profitstreben eines Konzerns mit rechtsextremer Propaganda konfrontiert und antifaschistische Kampagnen behindert werden. Wir fordern die Stadt Köln und die städtischen Unternehmen auf alle Werbenutzungsverträge mit Ströer zu kündigen und die Werbeflächen zu rekommunalisieren.
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_90645758/-gruener-mist-plakate-spuren-fuehren-zu-rechtsextremen-netzwerkern.html
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2. https://www.focus.de/politik/deutschland/er-wollte-hoch-hinaus-hinter-der-gruener-mist-kampagne-steckt-abtruenniger-cduler_id_14723950.html
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3. https://twitter.com/LoveGuerillero/status/1425860040280444931
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4. https://correctiv.org/aktuelles/parteispenden/2021/08/16/anti-gruenen-kampagne-mindestens-eine-halbe-million-euro-aus-anonymen-quellen/
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https://correctiv.org/aktuelles/afd-spendenskandal/2021/09/15/afd-spendenaffaere-dokumente-doppelte-spiel/
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6. https://www.zdf.de/politik/frontal/afd-spendenaffaere-neue-belege-fuer-wahlkampfhilfe-100.html
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7. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-parteispenden-anonyme-sponsoren-unterstuetzten-wahlkaempfe-mit-werbung-im-wert-von-ueber-drei-millionen-euro-a-675ca23e-a3c0-4d55-9d7d-32e6e8de94fc
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